Übersicht
1867. Die Bahn kommt
Mit dem Anschluss der Gemeinde Weißwasser an die regelspurige Eisenbahnstrecke Berlin – Görlitz im Jahr 1867 war eine Grundlage geschaffen, die aufkommende Industrialisierung zu beflügeln. Es entstanden eine Reihe von Industriebetrieben, überwiegend Glashütten, die auch später lange Zeit das Bild der Region um Weißwasser prägen sollten. Begünstigt wurde die industrielle Entwicklung hauptsächlich durch den Braunkohlenbergbau, der im Muskauer Faltenbogen in dieser Zeit aufkam und reichlich Brennstoffe lieferte.
1883. Die industrielle Entwicklung
Im Jahr 1883 erwarb Hermann Graf von Arnim die Standesherrschaft Muskau, zu der das Gebiet um Weißwasser und Bad Muskau gehörte. Sein Ziel war nicht nur die Erhaltung der Park- und Schlossanlagen in Muskau, sondern vorrangig die industrielle Entwicklung des Gebietes. So entstanden unter seiner Regie Braunkohlengruben, Sägewerke, Ziegeleien und Papierfabriken. Um diese effektiv betreiben zu können, wurden sie mit einer 600mm-Bahn verbunden, die man ursprünglich „Gräflich von Arnimsche Kleinbahn“ nannte. Später bürgerte sich die Bezeichnung Waldeisenbahn ein.
1895. Erste Pferdestärken
Die erste Strecke verband als Pferdebahn 1895 die Braunkohlengrube „Caroline I“ bei Krauschwitz mit einer Verladebühne am Ortseingang Muskau. Bereits ein Jahr später erfolgte der Einsatz der ersten Dampflokomotiven, die von der Firma Krauss in München geliefert wurden. Mit Nachdruck kam es zum Ausbau eines Streckennetzes, welches nur wenige Jahre später über 85 Kilometer Ausdehnung erlangte. Von Muskau ausgehend reichte es im Osten bis Pechern, im Norden bis Köbeln und im Südwesten bis zur Gemeinde Tzschelln und zur Ruhlmühle. Betriebsmittelpunkt war ab 1921 der Waldbahnhof bei Krauschwitz.
1930-1945. Steigende Transporte
Mit steigender Zahl angeschlossener Betriebe, auch solcher die nicht der Standesherrschaft gehörten, entwickelten sich die Transportleistungen positiv und machten Erweiterungen im Fahrzeugpark erforderlich. Man erwarb eine Vielzahl von Dampflokomotiven und stockte den Wagenpark durch Kauf oder Neubau in der eigenen Werkstatt auf. Höhepunkt der gefahrenen Transportkilometer waren die Jahre um 1940. Zu Bestzeiten standen 11 Dampflokomotiven zur Verfügung. Auch die ersten kleinen Diesellokomotiven kamen damals zur Waldeisenbahn, erledigten jedoch mehr die Rangierarbeiten in den Betrieben und an den Verladestellen.
Die Geländeverhältnisse begünstigten eine Trassierung ohne größere Aufschlussarbeiten. Die Gleise wurden überwiegend auf vorhandenen Wegen verlegt und führten so auf kürzester Strecke zu den Fabriken. Markant in der Geschichte ist die Durchfahrt der Waldeisenbahn durch die Ortslage Weißwasser, die bis 1933 bestand und erst im Rahmen von Straßenbaumaßnahmen und wegen Beschwerden der Bürger entfernt wurde. Als Folge entstand das separate Tzschellner Netz, welches südwestlich von Weißwasser lag.
1945 - 1951. In den Nachkriegsjahren
Das Ende des 2. Weltkrieges traf auch die Waldeisenbahn Muskau sehr hart. Viele der Industriebetriebe, wie Glashütten und Braunkohlengruben, mussten kriegsbedingt ihren Betrieb einstellen bzw. wurden in den Jahren 1945 und 1946 demontiert und als Reparationsleistung in die Sowjetunion gebracht. Auch die Waldeisenbahn Muskau verlor zum damaligen Zeitpunkt Lokomotiven, Wagen und eine nicht unerhebliche Menge an Gleismaterial. Da es jedoch in der Nachkriegszeit wichtig war, die Industrie wieder in Gang zu bekommen, hatte die Waldeisenbahn hier einen besonderen Stellenwert. Sie wurde weiterbetrieben und gelangte 1951 unter die Regie der Deutschen Reichsbahn.
1960 - 1969. Blüte zur Reichsbahnzeit
In den Folgejahren erschloss man neuere, jetzt größere Braunkohlegruben bei Weißwasser. Die größte war die Grube Frieden, die aus den Gräflich von Arnimschen Kohlewerken hervorging. Es existierten Ladestellen bei Weißwasser und Halbendorf. In den fünfziger Jahren gingen auch die Tagebaue der Grube Frieden auf den Trebendorfer Feldern in Betrieb und bildeten das Rückgrat der hiesigen Braunkohlenförderung. In Spitzenzeiten wurde für die Grube Frieden ein dreischichtiger Fahrbetrieb eingeführt, der bis Ende der 1960er Jahre stattfand.
Die vorhandenen Lokomotiven und Wagen reichten bereits ab Beginn der fünfziger Jahre nicht mehr aus. Es machten sich somit Neuanschaffungen erforderlich. Maximal kamen täglich 6 bis 7 Dampflokomotiven zum Einsatz. Eine davon verkehrte regelmäßig auf der separaten Tzschellner Strecke.
1970 - 1979. Das Ende naht
Mit der Einstellung der Grube Frieden 1969 verlor die Waldeisenbahn ihre eigentliche Existenzgrundlage. Die angeschlossenen Betriebe benötigten jedoch weiterhin Rohbraunkohle. Diese wurde von nun an aus Sabrodt über die Regelspur nach Bad Muskau gefahren und ab dort mit der Waldeisenbahn weiter verteilt.
Bereits Anfang der 1970er Jahre arbeiteten die Behörden auf die Einstellung des kostenintensiven Betriebes der Bahn hin. Schwierigkeiten bereiteten jedoch die Unzulänglichkeiten des Straßenverkehrs. So war es auch nicht verwunderlich, dass der neue Anschluss der Tongrube in Mühlrose gleisgebunden ausgeführt wurde. Mit der Inbetriebnahme der Tonstrecke im Jahr 1966 entstand somit der letzte größere Streckenneubau der Waldeisenbahn Muskau. Der Betrieb erfolgte bis 1991, als auch die Ziegelei ihre Produktion einstellte.
Schon zuvor, noch in den 1970er Jahren, schwanden nach und nach die Transportkunden der Waldeisenbahn. Die Strecken wurden zurückgebaut, die Fahrzeuge verkauft und das Ende der Bahn war abzusehen. Die offizielle Einstellung des Fahrbetriebes erfolgte im März 1978. Eine Vielzahl der auf der Waldeisenbahn fahrenden Dampflokomotiven fand bei Museumsbahnen in Deutschland und auch im weiteren Europa eine neue Heimat. Als Einzige verblieb die Dampflok 99 3317 in ihrer Heimat. Sie wurde 1979 auf einen Denkmalsockel in Weißwasser gestellt.
1980 - 1989. Durch Eisenbahnfreunde gerettet
1990. Neue Blüte nach der Wende
2000 - heute. Willkommen im neuen Jahrtausend
Durch den Umbau einer Industriebrache entstand im Jahr 2001 die „Anlage Mitte“ als Fahrzeughalle und Museum. Im Jahr 2008 folgte ein ebenfalls mit Fördermaßnahmen gestütztes Projekt. Auf dem Gelände der ehemaligen Ziegelei in Weißwasser wurde ein Instandhaltungszentrum für die touristischen Fahrzeuge gebaut, welches den weiterführenden dauerhaften Betrieb der Bahn sichert. Bereits ein Jahr später konnte zur Freude aller Waldeisenbahner das Besucherinformationszentrum im Anschluss an das Museum „Anlage Mitte“ fertiggestellt werden. Hier können sich die Gäste der Bahn nicht nur über diese selbst, sondern auch über Geologie, Geschichte und Tradition im Gebiet des Muskauer Faltenbogens informieren.
Die jährlichen Fahrgastzahlen von etwa 40.000 belegen den Zuspruch, den die Bahn heute hat. Die Entwicklung der Waldeisenbahn Muskau – im Speziellen in der Nachwendezeit – wäre jedoch nicht möglich gewesen, wenn nicht eine Vielzahl von Eisenbahnbegeisterten und Enthusiasten Hand angelegt hätten, um die Bahn in ihrer Originalität zu erhalten. Unterstützt wurden die Interessen der Bahn stets durch eine Reihe von Fördermaßnahmen, welche vom Freistaat Sachsen und der Europäischen Union sichergestellt wurden und ohne die die Waldeisenbahn Muskau nicht das geworden wäre, was sie heute ist.